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Presse

Was gibt's Neues für zwei Klaviere?

GARE DU NORD / Das Klavierduo Kordzaia-Blum brillierte an seinem Konzert mit viel zeitgenössischer Musik.

Ist das Verlangen, Neues hören zu wollen, vielleicht unangemessen, weil von Scarlatti bis Stockhausen auf dem Klavier fast alles «gesagt» wurde? Kann überhaupt noch Neues kommen? Das Konzert in der Gare du Nord gab eine Antwort, und die heisst: es kann, Allerdings bedarf es dazu einer intensiven Suche, und an ihr scheiden sich die Geister.

Das ausgezeichnete Duo Tamriko Kordzaia und David Blum spielte Kompositionen von Nikakoi, Cornelius Cardew ,Alfred Zimmerlin, David Dramm' und Felix Profos - doch nur Zimmerlins «Stillstandbild» (Klavierstück 7) und Profos‘ «Pai« waren Musik, die beanspruchen darf, bis dato ungehört gewesen zu sein. Die restlichen Stücke: Nikakois «dance1, dance 2, deconstraction», Cardews «Boolavogue» und Dramms «Medusa runs the Voodoo Down»,sind Neuarrangements von bereits Gehörtem.

Dabei fiel auf,dass unter einer modernistischen, teils stupiden, teils spektakulären Draperie ein durchaus konventioneller Kern versteckt wird. Déjà entendu! Das Maschinenmässige (Nikakoi), die angejazzte Salonmusik (Cardew) oder die spektakuläre Extrovertietheit (Dramm): nichts wirklich Neues unter der Sonne, virtuos von Kordzaia- Blum gespielt, doch als Musik eher belanglos. Ganz anders dagegen Zimmerlins «Stillstandbild». Was exakt der Titel meint, verrät die Musik nur in Andeutungen: ein ruhiges, ja stilles Sich konzentrieren auf sparsam eingesetzte befremdend schöne Klänge, die den Zeitablauf derart verlangsamen, dass man zu hören meint, die Zeit stehe still. Eine wunderbare Musik, die den Zuhörer magisch anzieht und mit sich nimmt. Nach all dem Dauerfortissimogetöse zuvor die reine Wohltat.

Als Hören der Stille kann auch Profos' «Pai» verstanden werden. Ein zugespieltes Rauschen und ein leises, kurzes Grollen wie fernes Donnern, das im Abstand von fünf Sekunden hörbar wird, untermalen die einzelnen Klavier- und Keyboardtöne und eine unverständliche weibliche, dann männliche Stimme. Die weitgehend elektronisch verfremdeten Töne und Klänge erzeugen auf diesem Untergrund die Illusion einer ortlosen Ferne, die nicht mehr von dieser Welt ist. Profos' Musik fordert vom Zuhörer höchste Konzentration; gelingt ihm die, wird sie zum Erleben nicht allein des Ungehörten, sondern des bisher Unerhörten. Nach Dramms tönendem Veitstanz die zweite reine Wohltat des Abends.

Nikolaus Cybinski

 

Hämmern und Rauschen

Das Duo Blum-Kordzaia im Radiostudio

Obwohl vieles irgendwie vertraut klang und in ähnlicher Weise schon einmal gehört, hatte das Saisoneröffnungskonzert der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik Zürich im Radiostudio neugierigen Ohren einiges zu bieten, zeugte doch das mit Hingabe gespielte Programm des Klavierduos Dominik Blum und Tamriko Kordzaia von der buntscheckigen Vielfalt jüngsten Komponierens. Ergänzt wurde es mit einem Werk von Cornelius Cardews (1936-1981), der in seinem letzten Lebensjahrzehnt klassenkämpferische neotonale -Musik schrieb.

Auffallend bei ««Boolavogue» ist das Pathos, aber auch eine Zärtlichkeit, die von einer lichteren Welt zu künden scheint Eine solche scheint in Alfred Zimmerlins «Stillstanddbild» von 1998 ganz ohne Emphase auf. Es ist ein leises Stück, das von der Poesie weniger Akkorde lebt, die sich mit den Resonanzen des. zweiten Klaviers behutsam mischen.

Freude am körperhaft hämmernden Aspekt des Klavierspiels ist dagegen David Dramms «Medusa runs the Voodoo down» eingeschrieben Motorisch geprägt sind auch die zwei Tanze des gebürtigen Georgiers Nikakoi alias Nika Machaidze mit ihrer minimalistischen Faktur, die offen ist für unerwartete Gegenrhythmen oder mit leichter Hand eingeworfene Melodielinien. Wieder eine ganz andere Hörhaltung forderte die Uraufführung von Felix Profos' «PAI», das sich in die Tradition ähnlicher Klangstücke stellt. Ein durchgehendes Rauschen und ein dumpfes Rollen grundieren sparsam eingestreute Klangereignisse - Alltagsgeräusche und wenige Töne von Klavier und Keyboard -, die der Wahrnehmung viel Zeit liessen und einen weiten Assoziationsraum öffneten.

Jürg Huber

Zürich, Radiostudio, 15 Oktober 2004